Down Under (1/6)
Reisebericht Australien 2000

Wir schreiben Donnerstag, den 24.08.2000, so gegen 8 Uhr. Das Arbeitsgepäck (Roboterhunde und Zubehör) ist seit dem Vorabend gepackt und auf die Mitreisenden verteilt, und wir schaffen es trotz BVG rechtzeitig, zum Flughafen Tegel zu kommen. Nach dem Treffen mit Helmut und Martin und anschließendem Checkin wurde es erstmals spannend: da die Roboter und Laptops nicht in den Frachtraum sollten, hatten wir nur etwas mehr als doppelt so viel Handgepäck wie zugelassen, und mit dem ging es zunächst zur Sicherheitskontrolle. Die Hunde waren uninteressant da niedlich, aber unsere hochgradig gefährlichen Laptops mußten erstmal gründlich auf Sprengstoffspuren untersucht werden. Der Flieger nach Frankfurt war von der Lufthansa und relativ klein, die Hunde kamen also unter die Sitze. In Frankfurt lief das dann etwas entspannter, Singapur Airlines sah offensichtlich alles etwas lockerer, in der 747 war reichlich Platz fürs Gepäck in den Fächern, viele nette Stewardessen, gutes Essen, zwei weitere Mitreisende aus unserem Robocup-Team (Jan und Joscha) und immer ausreichend Informationen über Flugzeug, Route und Ortszeit.
Am nächsten Morgen kamen wir früh in Singapur an, und nach der Beförderung des Handgepäcks in Schließfächer und der Verabschiedung von Jan und Joscha (die offensichtlich eine bessere Verbindung nach Melbourne gekriegt hatten) wollten wir in aller Ruhe die Stadt erkunden. Dazu warteten wir auf die erste kostenlose Bustour des Tages durch Singapur und erkundeten derweil den Flughafen: überall Teppichboden, Pflanzen, Wasserfälle und ein Freiluftkakteengarten. Dort gab es erstmal einen kleinen Klimaschock, trotz leichter Bewölkung und noch nicht weit fortgeschrittener Tageszeit waren es knapp 30 Grad und bestimmt 95 Prozent Luftfeuchtigkeit - Singapur liegt halt sehr dicht am Äquator.singapur3.jpg
Die kostenlose Bustour um 10 hatten wir verpaßt, wir waren zwar rechtzeitig da, hatten aber nicht eingeplant, daß das Zeitfenster zwischen Öffnung des Tourstandes und Erreichung von Anmeldefrist- und -listenende derart klein war. Da sich für spätere Touren aber nur anmelden durfte, wer den Flughafen bis dahin nicht zu verlassen gedachte, entschlossen wir uns, Singapur auf eigene Faust zu erforschen. Die Einreise mit Reisepaß lief problemlos, der Linienbus kostete 1,50$ pro Nase, und da man passend zahlen mußte und wir die unbekannten Münzen nicht schnell genug sortiert kriegten, forderte uns der Busfahrer auf, uns schon mal hinzusetzen, in aller Ruhe das Geld rauszusuchen und es ihm dann zu geben, während er längst losgefahren war. Die Fahrt dauerte etwa eine dreiviertel Stunde, und als wir das Gefühl hatten, dicht genug an der Innenstadt zu sein, stiegen wir einfach aus. Das war eine gute Entscheidung, weil wir mittlerweile recht hungrig waren und direkt vor einem Straßenimbiß standen. Für 3,50$ (Kurs ungefähr 1,30DM) gab es Reis mit je 2 wählbaren Sorten Fleisch und Gemüse, keine Ahnung was wir da aßen, aber es war lecker.
singapur1.jpgNun ging es auf in die City, schließlich waren wir nicht so lange mit dem Bus gefahren, um die Wolkenkratzer nur von Ferne zu sehen. Auf dem relativ kurzen Weg dorthin hatten wir gleich die Gelegenheit, uns an eine singapurianische Besonderheit zu gewöhnen - Fußgängerüberführungen. Statt der Möglichkeit, an Kreuzungen die Straße zu überqueren, durfte man sich vielfach zu den genau dazwischenliegenden Überführungen begeben, die relativ hoch, stets mit reichlich Grün umwuchert, meist überdacht, gelegentlich mit Rolltreppen versehen, zum Teil in Häusern startend und einmal auch klimatisiert und mit Einkaufspassage ausgestattet waren. Schließlich fanden wir dann auch so das Zentrum von Singapur und dort ein Hochhaus mit Fahrstuhl in die 61. Etage, zwar gab es da keine offizielle Aussichtsmöglichkeit, aber schon der Fahrstuhl war eine Attraktion, denn wären da nicht Anfahren und Bremsen, hätten wir die gut 200 Höhenmeter in unter 5 Sekunden geschafft. Während wir bei Sonnenschein so durch dir tropische Stadt liefen, kam der Wunsch nach Eis auf, doch es dauerte erstaunlich lange, bis wir tatsächlich ein Cafe fanden, wo es auch welches gab, Speiseeis scheint in der Gegend ziemlich wenig verbreitet zu sein, schade eigentlich bei dem tollen Wetter.
singapur2.jpgVom Häusern hatten wir vorerst genug gesehen, also wurden Parks erkundet. Oder besser gesagt, wir suchten den nächstgelegenen größeren Park auf und erfuhren dort einiges über die bewegte Geschichte Singapurs, aber in welchem Jahr welcher Stamm bzw. welche Kolonialmacht welche der Inseln in der Region zu welchem Teil unter seine Kontrolle gebracht hat, ist nicht hängengeblieben. Außerdem fand sich Gelegenheit, die aufgrund des tropischen Klimas üppige Vegetation zu betrachten.singapur4.jpg
Recht beeindruckend waren dabei die großen Luftwurzler wie dieser hier, wo einfach aus den Ästen Wurzeln wachsen, die irgendwann den Boden erreichen und daraufhin immer weiter an Durchmesser gewinnen, so daß der Baum am Ende eine ganze Reihe von Stämmen hat. Lange suchen mußten wir dagegen, um die Quelle eines ohrenbetäubenden Fiepens zu lokalisieren, das gut das Vorbild für die akustische Untermalung der Ampeln in der Stadt hätte sein können. Fündig sind wir an einem Loch im Baumstamm geworden, die Viecher hatten sich versteckt wie Spechtjunge in der Heimat und machten auf ihren Hunger recht deutlich aufmerksam. Wir erklommen dann den Hügel im Zentrum des Parks (oder eigentlich war der Park ein Hügel), und während Martin und Helmut den Liegekomfort der lokalen Parkbänke testeten, wollte ich unbedingt noch Chinatown gesehen haben, machte mich also kurzerhand alleine dorthin auf den Weg.
singapur6.jpgTrotz durch tiefe Baugruben ersetzter Straßenzüge und durch entfernte Fußgängerüberführungen ersetzter Ampeln fand sich ein Weg dorthin. Ein winziger chinesischer Laden neben dem anderen, zum Teil mit ziemlich obskurem Angebot, manchmal in windschiefen winzigen Uralthäusern, manchmal etagenweise in Hochhäsern. Zwischendurch gab es viele Garküchen oder auch mal einen Tempel und nicht zu vergessen jede Menge Anwohner, die dem Stadtviertel seinen Namen gaben - war einfach sehenswert.
Wieder zu dritt stand dann noch Little India auf unserem Programm, bevor es in aller Ruhe zurück zum Flughafen gehen sollte. Auch hier wieder interessante Gebäude, diesmal zwei größere indische Tempel, und gleich daneben versuchte ein Schlangenbeschwörer lautstark sein Glück. Wir verstanden kein Wort, aber viele der Umstehenden waren seiner Sprache offenbar mächtig.
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Auf dem vermeintlichen Weg zum Bus Richtung Flughafen durchquerten wir noch ein arabisches Viertel mit drönendem Lautsprecher (Quäker trifft es eigentlich eher) auf einer winzigen Moschee und ein paar Querstraßen weiter einer für Singapur bezeichnenden Baustelle - ein zahlreiche Stockwerke hohes Gerüst bestehend aus zusammengebundenen Naturholzstöcken.
Eigentlich wollten wir nur noch zum Bus, waren schließlich lange genug auf Achse und hatten genug gesehen. Wir glaubten, uns die ganze Zeit parallel zur aus der City zum Flughafen führenden Straße bewegt zu haben, aber die nach 3 Querstraßen erwartete Buslinie war auch nach 6 oder 7 noch nicht in Sicht, die zwei Straßen waren also eher sternförmig als paralel verlaufen. Tja, sowas passiert, wenn man mit einem aus mehreren auf verschiedene Himmelrichtungen ausgerichteten Teilen bestehenden schlechten aber kostenlosen Stadtplan vom Flughafen versucht, unbekanntes Gelände zu erschließen.
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Einige über- und unterquerte Ausfahrtsstraßen (in Singapur ist man sehr kreativ beim Ineinanderschlingen vieler hoher Straßenbrücken, gerne auch für jede Fahrtrichtung eine eigene), mehrere Kilometer, etliche Richtungsentscheidungen und ein paar Taxifahrgedanken später erwischten wir dann schließlich doch ein Busdepot und kurz darauf mit von dort eingeholter Hilfe den Bus zum Flughafen. Irgendwie waren wir ziemlich erledigt und mächtig froh, im überfüllten Bus zu stehen, denn es war zwar noch nicht knapp, aber doch deutlich später als geplant, als wir am Flughafen ankamen. Mit reichlich Kleingeld wurden die Hunde aus ihrem Schließfach befreit und dann ging es auch schon zum eigentlichen Ziel der Reise entgegen, wir flogen über Nacht nach Melbourne.singapur7.jpg


Teil (2/6)